Projekt Helvetikum
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Der "Schwarzmergel" enthält neben einer umfangreichen Nanno- und Mikrofauna (Foraminiferen, Ostrakoden) auch eine äußerst artenreiche Bivalven- und Gastropoden-Fauna (Beispiel siehe Bilder links). Auch Nautiloidea (z.B. Aturia sp.) sind - wenn auch meist kleinwüchsig - relativ häufig. Die Mollusken sind überwiegend als Pyritsteinkerne erhalten und daher nicht einfach taxonomisch zu bearbeiten. Derzeit werden die planktisch lebenden Thecosomata ("Flügelschnecken") des Spirka Members wissenschaftlich untersucht.
Published online 19-12-2017 by A. M. Heyng;
Photos Heyng 2006-2017
Pyrit-Framboide als Verfüllung von perlschnurartig aufgereihten Gängen eines Bohschwamms (Cliona?), auf einem Pyritsteinkern einer unbestimmten Muschel aus dem Spirka Member ("Schwarzmergel") der Adelholzen Formation; Zementsteinbruch Rohrdorf.
Aufnahmen mit fortschreitender Vergrößerung (siehe Maßstab im unteren Bildbereich).
(Aufnahmen: Heyng 2006 / ZEISS EVO 60)
Published online 19-12-2017 by A. M. Heyng
H.-J. Berndt & A. M. Heyng 2009
Ein spektakulärer Neufund aus den basalen, sandig entwickelten Stockletten aus dem Zementsteinbruch Rohrdorf im Jahr 2003: Der isolierte Wirbel eines Wales der Gattung Eocetus FRAAS, 1904 - erster bekannter Beleg der Familie der Protocetidae in Europa (siehe Uhen & Berndt 2008).
Der Originalfund wird aufbewahrt in der Privatsammlung BERNDT und wurde dem United States National Museum (Inv.-Nr. USNM 534001) sowie der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie München zur Anfertigung eines Abgusses zur Verfügung gestellt.
Literaturauswahl
S. Schellhorn & A. M. Heyng 2009
In den basalen, sandigen Stockletten (Nannoplankton-Zone NP 16 bis NP 17, Oberes Bartonian bzw. Unteres Priabonian) des „Nummulitenköpfls“ im Zementsteinbruch Rohrdorf konnte das vorliegende Zahn-Fragment eines Basilosauriden (Basilosauridae gen. et sp. indet.) geborgen werden (siehe Abbildung links). Eine nähere Zuordnung zu einer bestimmten Gattung oder Unterfamilie ist ohne weitere Funde nicht möglich (siehe UHEN & BERNDT 2008).
Der Originalfund wird aufbewahrt in der Privatsammlung SCHELLHORN und wurde der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München zur Anfertigung eines Abgusses zur Verfügung gestellt.
Literaturauswahl
A. M. Heyng 2009
Ein problematischer Fund aus dem Zementsteinbruch Rohrdorf (HEYNG 2007): Das Stück stammt aus den basalen Stockletten (Nordhelvetikum), etwa 20 Zentimeter hangend der Grenze zum stratigraphisch unterlagernden Spirka Member ("Schwarzmergel") der Adelholzen Formation. Der Fundhorizont - mit Phorphorit-Konkretionen und Grabgängen - ist zeitlich etwa ins mittlere Bartonian (Eozän) zu stellen.
Der rundlich geformte Fossilrest besitzt einen Durchmesser von etwa 2 Zentimetern und hat eine polygonale Oberflächenskulptur. Er besteht aus einem dünnen, schwarz gefärbten "Häutchen", das im Inneren mit Sediment verfüllt ist.
Die taxonomische Zuordnung des Stückes soll in einer eigenen Bearbeitung erfolgen.
A. M. Heyng 2009
In der Adelholzen Formation finden sich häufig Krebse der Art Harpactoxanthopsis quadrilobatus (DESMAREST, 1822) neben Fragmenten der Schwimmkrabbe Ranina sp. und weiteren Decapoden-Arten. Ihr Vorkommen reicht hier vom Hangenden des Schneckengraben Members (Glaukonitsandstein) bis zum Hangenden der Braunen Schicht (Rohrdorf Member; Fazies-Typ Bs 2). Besonders zahlreich trat Harpactoxanthopsis in den Fazies-Typen Dm 1 und Dm 2 des Fadengraben Members auf.
Ob der meist phantastischen Erhaltung mit artikulierten Extremitäten und Scheren und der hohen Transportempfindlichkeit von Dekapoden-Resten muß man annehmen, daß der Sedimentationsraum weitgehend auch dem Lebensraum entsprach. Zu diesem sei VOGELTANZ (1972:37) zitiert:
"Aus der Form der Extremitäten, die etwa jener der rezenten Ocypode aegyptica vergleichbar ist, geht hervor, daß die Art auf dem Sediment lief, vermutlich auch grabend und zeitweise über dem Wasserspiegel leben konnte.
Ausführliche Informationen zu den Adelholzener Schichten finden Sie unter Adelholzen Formation
Literatur
A. M. Heyng 2009
Coronen des Seeigels Conoclypus conoideus (LESKE) sind aus Sedimenten des oberbayerischen Helvetikums seit langem bekannt. Im eozänen Süd- wie auch im Nordhelvetikum (vertreten durch die Adelholzen Formation) gehört diese großwüchsige Art zu den häufigen Funden.
In der Adelholzen Formation ist das Vorkommen von C. conoideus bisher vom Basalen Sandmergel (Nummulitenkoepfl Member) über den Assilinenmergel (Ramberg Member) bis zum Hangenden des Nummulitenkalkes (Hoellgraben Member) durch Funde belegt - oft nur durch Bruchstücke oder tektonisch verdrückte Exemplare (siehe Abbildungen).
Ab dem Glaukonitsandstein (Schneckengraben Member) bis ins Hangende des Discocyclinenmergels (Fadengraben Member) findet sich jedoch ausschließlich eine weitere Form der Gattung Conoclypus: Die Coronen sind hier allgemein kleiner, dünnschaliger, und scheinen spitzer auszulaufen als bei C. conoideus. Besonders zahlreich ist dieser Conoclypus sp. im Hangenden von Fazies-Typ Dm 1 und im Fazies-Typ Dm 2 des Discocyclinenmergels festzustellen.
Zum wahrscheinlichen Lebensraum von C. conoideus schreiben HAGN et. al. (1992:198): "Die kräftige, dickschalige Corona läßt auf eine tropische Flachsee schließen (...)." Diese dicke, robuste Corona ist demnach auch als Anpassung an einen hochenergetischen Lebensraum zu sehen. Bei Conoclypus sp. könnte es sich dementsprechend um eine an geringere Wasserenergie bzw. vielleicht auch tieferes Wasser angepasste Form handeln.
Literatur
A. M. Heyng 2008
Funde von Zähnen des Riesenhais Carcharocles im eozänen Helvetikum des Alpenvorlandes sind von vielen Aufschlüssen dieser Region beschrieben (siehe z.B. SCHLOSSER 1925), stets jedoch als Raritäten. Auch aus der Adelholzen Formation („Adelholzener Schichten“; Nordhelvetikum) sind spärliche Funde bekannt, hier überwiegend aus dem Rohrdorf Member („Braune Schicht“, siehe z.B. DARGA 1998: 108).
Im Frühsommer 2004 konnte ein Museumsstück aus dem Spirka-Member („Schwarzmergel“) der Adelholzen Formation geborgen werden: Ein Handstück mit zwei (!) aufsitzenden Zähnen von Carcharocles auriculatus (BLAINVILLE). Fundschicht des Stückes war ein sandiger, maximal etwa 30 Zentimeter mächtiger Horizont nahe der Basis des Schwarzmergels. Dieser führt neben Vertebratenresten eine reiche Fauna (Mollusken, Korallen, Echinodermen, Crustaceen, etc…) in wirrer Lagerung und wird als Slump-Fazies interpretiert.
Der Fund wurde publiziert (HEYNG 2007) und wird aufbewahrt in der Sammlung amh-Geo.
Literaturauswahl
A. M. Heyng 2008
Pycnodonte gigantica (SOLANDER in BRANDER, 1766) gehört zu den häufigsten Fossilien flachmariner Gesteine des europäischen Eozäns. Auch im alttertiären Helvetikum Oberbayerns ist diese Auster als "Charakterfossil" von Aufschlüssen in Bad Tölz über Bad Adelholzen bis hinein ins Salzburger Helvetikum bekannt.
Die Gattung Pycnodonte war ein ausgesprochener Flachwasserbewohner. An diesen Lebensraum mit hoher Wasserenergie war sie hervorragend angepasst. Zum einen bildete diese "Riesenauster" stets sehr derbe, dicke und schon alleine dadurch widerstandsfähige Schalen aus. Ein zweiter Grund für die hohe Stabilität liegt im internen Feinbau, der erst im Dünnschliff sichtbar wird (siehe Bild 3, Vergrößerung ca. 30X): Deutlich zu sehen sind zwei unterschiedliche Schalenstrukturen im wiederholten Wechsel - wie im Fachwerkbau: Ein Gerüst aus dünnen Lamellen, das durch blasige Hohlprismen ausgefüllt wird. Diese Hohlprismen, heute mit sparitischem Calcit gefüllt, waren einst - wie der Name besagt – hohl und dienten als Luftkammern. Hierdurch wurde Material und somit nicht nur Energie beim Bilden der Schale sondern - schlicht und ergreifend - auch Gewicht gespart.
Pycnodonte gigantica war – zumindest juvenil – mit der linken, stärker gewölbten Klappe an ein Hartsubstrat festgewachsen. Mit fortschreitendem Wachstum wurde Pycnodonte selbst zum Hartgrund für inkrustierende Organismen: Juvenile Austern und Spondyliden ("Stachelaustern") wuchsen auf, Serpeln ("Röhrenwürmer") und Bryozoen ("Moostierchen") besiedelten die Schalen. Auch bohrende Organismen wie die Bohrmuschel Lithophaga oder Bohrschwämme (Cliona sp.) siedelten in der Schale und förderten durch ihre Aktivitäten den Abbau des Gehäuses (= Bioerosion).
Literaturauswahl
A.M. Heyng & P. Havlik 2007
Zusammenfassung der Ergebnisse
Die helvetischen Sedimente im Zementsteinbruch Rohrdorf sind im erheblichen Maße von der Alpenorogenese tektonisch beansprucht. Es finden sich gleichermaßen Anzeichen von Kompressionstektonik (Auffaltung mit nach Süden abtauchenden Falten, in W-E-Richtung aufgefaltet) als auch Extensionstektonik (mehrere Abschiebungsflächen im Südteil, welche steil nach Süden einfallen). Das allgemeine Schichtfallen ist gen Süden.
Im südlichen Teil des Rohrdorfer Steinbruches fallen einzelne Stapel von steil gestellten Stockletten mit eingelagerten Corallinaceen-Schuttkalk-Bänken in Richtung S mit Werten von 45 bis 70° ein. In W-E-Richtung streichende Abschiebungsflächen führen zu einer Verdoppelung der einzelnen Corallinaceenschuttkalk-Bänke. Dies ist jedoch nicht eindeutig zu belegen, da sich die entsprechenden Bewegungsflächen in den überwiegend tonigen Stockletten befinden und somit kaum nachgewiesen werden können.
Im südwestlichen Teil findet sich eine nach Süden abtauchende flache Synklinale, deren Faltenachse in Richtung NW-SE verläuft.
Am Osthang des Nummulitenköpfls ist eine große Abschiebung aufgeschlossen (Abb. 1), deren Versatz mindestens 50m beträgt, und durch die Gesteine der Adelholzen Formation und Corallinaceen-Schuttkalke (grobkörnige Fazies) in die Stockletten eingeschuppt wurden. Die Störungsfläche fällt mit 344/72 ein. Vermutlich bildet ein Störungsband nördlich des Bonhardköpfls die Verlängerung dieses Systems.
Die Korrelierbarkeit der einzelnen Corallinaceenschuttkalk-Bänke ist nur bedingt gegeben. Durch intensive Tektonik insbesondere innerhalb der Stockletten sind zahlreiche Störungssysteme nicht eindeutig auszuwerten. Daher ist auch eine Rückrotation der Schichten (die ursprünglich aus nördlicher Richtung in den helvetischen Trog geschüttet wurden) nicht möglich. Allerdings sind einige der Bänke lithologisch und sedimentologisch sehr charakteristisch, so dass über diese Merkmale und die unterschiedlichen Bank-Mächtigkeiten einige Aussagen getroffen werden können:
Die Schuttkalke entlang der Südwand bilden vermutlich eine Einheit. Es handelt sich hier um eine sehr mächtige Schüttung, die aufgrund mehrerer Abschiebungen nach Norden teilweise verdoppelt wurde und durch laterale Versätze entlang von Störungssystemen, welche auf der aufschlusslosen Grubensohle vermutet werden, N-S-Versätze von mehreren Zehnermetern zeigen.
Im Nordwesten der Grube findet sich eine Abfolge zweigeteilter, geringmächtiger (maximale Mächtigkeit ca. 1,5m) Corallinaceenschuttkalk-Bänke, welche vermutlich denen im Osten entprechen. Dort waren auch im Herbst 2006 einige dextrale Verschiebungen aufgeschlossen.
Im Überblick zeigt sich eine tektonische Entwicklung, die mit einer Stapelung der Sedimente beginnt, welches an der Südwand des Steinbruches gut dokumentiert ist. Hinzu kommt eine SW-NE-gerichtete Kompressionstektonik in der Falte im SW-Teil des Gebietes. In jüngerer Zeit bildeten sich die Abschiebungsflächen im mittleren Südteil des Steinbruches nach Norden (Extension).
Das Untersuchungsgebiet entspricht somit im tektonischen Bau weitgehend der Grünten Decke, die das östlich der Iller ausstreichende Allgäuer Helvetikum umfasst. Sie ist in vergleichbarer tektonischer Ausprägung von einer kleinräumigen Stapelung der Schichten geprägt.